Sind das die letzten ERC Grants für die ETH?

Bei der letzten Ausschreibung der renommierten ERC Starting Grants hat der europ?ische Forschungsrat elf Auszeichnungen an ETH-Forschende im Wert von rund 17 Millionen Schweizer Franken vergeben. Die Forschenden k?nnen den Award aber aufgrund der Nicht-Assoziierung der Schweiz nicht beziehen. Das Staatssekretariat f¨¹r Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) stellt nun die finanziellen Mittel zur Verf¨¹gung.


(Aktualisiert: )

Eine F?rderung mit einem ERC Starting Grant durch den EU-Forschungsrat (ERC) ist etwas vom Besten, was jungen Forschenden passieren kann. Mit einem eingereichten Projekt durchlaufen sie das hochkompetitive Verfahren des ERC, werden ausgew?hlt und erhalten neben der internationalen Anerkennung auch noch betr?chtliche Mittel f¨¹r ihr Vorhaben. 2021 haben es gleich elf Forschende der ETH geschafft, die Jury mit ihren Projekten zu ¨¹berzeugen (Kurzbeschriebe siehe unten). Nur, sie werden das F?rdergeld vom ERC nicht bekommen. Es ist n?mlich Bedingung, dass die Forschenden an einer Hochschule t?tig sind, die zum europ?ischen Forschungsraum des ERC geh?rt. Wegen des gescheiterten Rahmenabkommens ist die Schweiz aber aus dem europ?ischen Forschungsprogramm ?Horizon Europe? bis auf weiteres ausgeschlossen. 

F¨¹r die ETH entschieden

?Wir beginnen nun die unmittelbaren Auswirkungen des Ausschlusses aus Horizon Europe zu sehen. Als Erstes trifft es dabei ?usserst talentierte Forschende am Beginn ihrer Forschungskarriere?, so Detlef G¨¹nther, Vizepr?sident f¨¹r Forschung an der ETH Z¨¹rich. Neben den ERC Starting Grants f¨¹r junge Forschende bleiben der Schweiz k¨¹nftig auch andere EU-F?rdermittel und ERC-Grants verwehrt, die auch bereits etablierte Forschende unterst¨¹tzen. Nach heutigem Stand haben sich fast alle der nun ausgezeichneten Forschenden trotz allem dazu entschieden, an der ETH zu bleiben oder an die ETH zu kommen. Dies sei nicht zuletzt der hervorragenden Ausstattung und den guten Bedingungen zu verdanken, welche die ETH bieten k?nne, so der Vizepr?sident. G¨¹nther betont: ?Wir sch?tzen die Arbeit des Europ?ischen Forschungsrats und die bisherige Zusammenarbeit im europ?ischen Forschungsnetzwerk, zum Beispiel beim EU Quantum Flagship oder der IDEA League, sehr und w¨¹rden sie gern fortsetzen. F¨¹r uns ist klar: Wir m?chten weiter eng mit dem europ?ischen Forschungsraum verbunden sein.?

Das SBFI ¨¹bernimmt das F?rdergeld

Die Forschenden erhalten aber das F?rdergeld trotzdem, denn das Staatssekretariat f¨¹r Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) hat beschlossen, die ERC Starting Grants durch eigene Zahlungen zumindest finanziell zu ersetzen. ?Wir sind dem SBFI sehr dankbar, dass es so unb¨¹rokratisch einspringt und die Forschenden hier in der Schweiz nicht auf die Mittel verzichten m¨¹ssen, die der ERC ihnen zur Verf¨¹gung stellen w¨¹rde. Das ist in dieser schwierigen Situation eine Erleichterung und hilft der ETH dabei, diese talentierten Forschenden in der Schweiz zu halten.?

Doch G¨¹nther gibt zu bedenken: ?Die Zukunft ist aber unsicher und es wird sich zeigen, ob es Forschende nicht abschreckt, in die Schweiz zu kommen, wenn sie von vornherein wissen, dass ihre Forschungsantr?ge nicht mehr vom ERC Forschungsrat evaluiert werden und dass sie aus der europ?ischen Forschungsf?rderung ausgeschlossen sind.? Dass der Schweizerische Nationalfonds gleich hoch dotierte Grants auf den Weg bringe, sei wichtig, diese k?nnten aber den internationalen Wettbewerb nicht ersetzen. Deshalb m¨¹sse es das oberste Ziel sein, dass der Forschungsplatz Schweiz schnell wieder voll bei der europ?ischen Forschungsf?rderung assoziiert werde, so G¨¹nther.

Die Projekte im ?berblick

Elliot Ash

Liegt der Hauptunterschied zwischen Mensch und Maschine darin, dass der Mensch Gerechtigkeit versteht und nach ihr strebt, die Maschine jedoch nicht? F¨¹r den Juristen, ?konomen und ETH-Professor Elliott Ash ist diese Sichtweise zu kurz gegriffen. Er geht vielmehr davon aus, dass Technologien der k¨¹nstlichen Intelligenz genutzt werden k?nnen, um das menschliche Konzept der Gerechtigkeit besser zu verstehen und um juristische Entscheidungen fairer zu gestalten. Richter k?nnten zum Beispiel voreingenommen oder von politischem Druck beeinflusst sein. Transparent gestaltete maschinelle Systeme k?nnen dazu beitragen, eine solche Voreingenommenheit zu erkennen und zu reduzieren. In seinem Projekt wird Ash basierend auf Systemen der k¨¹nstlichen Intelligenz (KI) neue Messgr?ssen f¨¹r Fairness entwickeln. Diese k?nnten Richter bei ihren Entscheidungen unterst¨¹tzten.

Katharina Gapp

Gewisse Umwelteinfl¨¹sse, denen Menschen und Tiere ausgesetzt sind, k?nnen sich auch auf die Generationen der Kinder und Grosskinder auswirken. Man spricht dabei von epigenetischer Vererbung. Forschende untersuchten bisher vor allem Mechanismen im Zusammenhang mit chemischen Markierungen an der DNA oder mit RNA-Molek¨¹len, welche bei der Befruchtung von den Spermien an die Eizellen weitergegeben werden. Katharina Gapp m?chte im gef?rderten Projekt einen weiteren theoretisch m?glichen epigenetischen Mechanismus untersuchen: Stressrezeptorproteine, welche mit der DNA wechselwirken und via Spermien die nachfolgende Generation beeinflussen k?nnen. Die ETH-Wissenschaftlerin wird diesen Mechanismus in M?usen genauer untersuchen und beschreiben. Dies k?nnte zu einem besseren Verst?ndnis der Vererbung von stressinduzierten neuropsychiatrischen Erkrankungen und l?ngerfristig zu neuen Therapieans?tzen f¨¹hren.

Andreas Güntner

Der Maschinenbauingenieur Andreas G¨¹ntner ist spezialisiert auf die Entwicklung von auf Nanotechnologie basierenden Sensoren, mit denen fl¨¹chtige Molek¨¹le bereits in geringen Konzentrationen gemessen werden k?nnen. Er war Forschungsgruppenleiter an der ETH Z¨¹rich und ist heute am Universit?tsspital Z¨¹rich sowie in dem von ihm mitgegr¨¹ndeten ETH-Spin-off Alivion t?tig. Im nun gef?rderten Projekt m?chte er mit neuen Herstellungsmethoden und Materialien eine neue Generation von hochempfindlichen Sensoren entwickeln, die in Smartphones oder andere portable Ger?te eingebaut werden k?nnen. Nutzende k?nnten damit zum Beispiel ¨¹ber fl¨¹chtige Metaboliten in der Atemluft ihren Stoffwechsel ¨¹berwachen oder Giftstoffe in der Umgebungsluft oder in Nahrungsmitteln aufsp¨¹ren.

Manuela Hospenthal

Bakterien sind in der Lage, DNA aus der Umwelt aufzunehmen und in ihr Genom einzubauen. Dieses Ph?nomen nennen Molekularbiologen nat¨¹rliche Transformation. Mikroorganismen k?nnen auf diese Weise zum Beispiel von anderen Bakterien Resistenzen gegen¨¹ber Antibiotika erwerben. Obschon das Ph?nomen vor fast 100 Jahren entdeckt worden ist, sind dessen molekulare Mechanismen weitgehend unbekannt. ETH-Professorin Manuela Hospenthal wird im nun gef?rderten Projekt die Mechanismen der nat¨¹rlichen Transformation und die r?umliche Struktur der daran beteiligen Proteine aufschl¨¹sseln. Unter anderem wird sie daf¨¹r die Kryo-Elektronenmikroskopie benutzen.

Matthias Leese

Der Politikwissenschaftler Matthias Leese befasst sich mit der Datenqualit?t in Datenbanken von europ?ischen Grenzkontroll- und Sicherheitsbeh?rden. Diese Datenbanken ¨C dazu geh?ren zum Beispiel die Informationssysteme des Schengenraums und von Europol ¨C sind bedeutend f¨¹r die Sicherheit in Europa. Sind die darin gespeicherten Daten allerdings ungenau oder nicht aktuell, kann das die Effizienz der Beh?rden einschr?nken oder die Grundrechte der B¨¹rgerinnen und B¨¹rger tangieren. Leese wird in seinem Projekt den Umgang der Sicherheitsorganisationen mit ihren Daten erforschen sowie ihr Problembewusstsein f¨¹r die Datenqualit?t. Er wird dabei auch Empfehlungen zuhanden der beteiligten Akteure erarbeiten.

Mickael Perrin

Die Thermoelektrizit?t nutzt Temperaturunterschiede zur Stromerzeugung. Heutige thermoelektrische Generatoren erfordern Materialien, die gleichzeitig eine hohe elektrische Leitf?higkeit und eine geringe W?rmeleitf?higkeit aufweisen. In der Regel schliessen sich diese Anforderungen jedoch aus. In seinem Projekt wird Mickael Perrin einen neuartigen thermoelektrischen Generator entwickeln, der diese Einschr?nkungen ¨¹berwindet, indem er den elektrischen Kreislauf vom thermischen entkoppelt. Perrin, derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Empa in D¨¹bendorf, wird als Assistenzprofessor an die ETH Z¨¹rich wechseln und f¨¹r seine Forschung sowohl Einrichtungen der ETH als auch der Empa nutzen.

Paolo Sossi

Paolo Sossi, SNF-Ambizione-Fellow an der ETH Z¨¹rich, versucht zu verstehen, wie die Erde und die anderen Planeten entstanden sind. Er kombiniert experimentelle, spektroskopische und theoretische Ans?tze, um das Wachstum der Planeten von Staubk?rnern zu den komplexen K?rpern zu verstehen. In seinem Projekt wird er die Zusammensetzung der Planeten in unserem Sonnensystem mit der Zusammensetzung ihrer Atmosph?ren verkn¨¹pfen. Zu diesem Zweck wird er im Labor Miniaturplaneten und deren Atmosph?ren simulieren, indem er Kugeln aus Magma herstellt, die auf Gasstr?men schwimmen. Ziel ist es, die Einzigartigkeit der Erde im st?ndig wachsenden Kaleidoskop der Exoplaneten zu bewerten und die Bedingungen zu ermitteln, unter denen auf Planeten Leben entstehen kann.

Julia Vogt

Die Informatikerin und ETH-Professorin Julia Vogt besch?ftigt sich mit dem Maschinellen Lernen an der Schnittstelle der theoretischen Grundlagen und der Anwendungen in der Medizin. In ihrem Projekt wird sie neue Methoden und Anwendungen des Maschinellen Lernens entwickeln, welche das Vertrauen von den ?rztinnen und ?rzten geniessen. Das Ziel ist, dass solche neuen Anwendungen zur Entscheidungsunterst¨¹tzung in der Praxis eher eingesetzt werden als viele heutige Systeme, die als ?Black Box? funktionieren und von den Medizinfachpersonen daher als nur wenig vertrauensw¨¹rdig eingestuft werden. Zwei konkrete Anwendungen, die Vogt in ihrem Projekt umsetzen m?chte, sind die Erkennung von Herzfehlern bei Neugeborenen und die fr¨¹hzeitige Vorhersage von Diabetes bei Kindern.

Ce Zhang

KI wird in immer mehr Bereichen unseres Lebens eingesetzt. Ce Zhang, Assistenzprofessor am Departement Informatik, will diese Technologien f¨¹r alle Menschen leicht zug?nglich und vertrauensw¨¹rdig machen. Die Herausforderung ist, dass viele heutige Anwendungen den Anforderungen an vertrauensw¨¹rdige KI nicht gen¨¹gen. Gleichzeitig beziehen sich viele Erkenntnisse ¨¹ber vertrauensw¨¹rdige KI auf einzelne Teilsysteme, obwohl KI-Systeme im Alltag oft in komplexe datenzentrierte Umgebungen eingebettet sind. Zhang m?chte in seinem Projekt die vertrauensw¨¹rdige KI auf diese komplexen realen Szenarien ausweiten. Neben theoretischen Grundlagen wird er gemeinsam mit Industriepartnern auch praktische Methoden zur Systemoptimierung entwickeln.

Der Mathematiker und ETH-Professor Pierrick Bousseau hat ebenfalls erfolgreich einen ERC Starting Grant erworben. Er wird mathematische Vermutungen aus der theoretischen Physik erforschen. Allerdings wird er das nicht an der ETH Z¨¹rich machen, sondern zum CNRS ans Laboratoire de Math¨¦matiques d¡¯Orsay in Frankreich wechseln.

Die Materialwissenschaftlerin Mengxia Liu arbeitete bis Ende 2021 als Postdoktorandin an der Universit?t Cambridge. Sie hat mit Unterst¨¹tzung der ETH Z¨¹rich erfolgreich einen ERC Starting Grant eingeworben. Allerdings tritt sie nun eine Professur an der Yale University an und verzichtet auf die F?rdermittel des ERC oder der Schweiz.

 

Erg?nzung vom 09.06.2022

Da verschiedene Forschende ihre bereits bewilligten ERC-Projekte nicht angetreten haben, hat der Europ?ischen Forschungsrats ERC nun ein Projekt bewilligt, das ETH-Professor Kaveh Razavi einreichte. Aufgrund des Ausschlusses der Schweiz von der ERC-F?rderung ¨¹bernimmt das Staatssekretariat f¨¹r Bildung, Forschung und Innovation dessen Finanzierung.

Kaveh Razavi

Mit der Sicherheit von Computerhardware befasst sich Kaveh Razavi, Assistenzprofessor am Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik. Er untersucht die Sicherheit von Mikroprozessoren, die heute wohl die wichtigste und komplexeste Komponente von Computerger?ten sind. In seinem Projekt PROMISE (Proactive Microarchitectural Security) geht es darum, die Sicherheit der Hardware zu erh?hen, indem die Sicherheitsl¨¹cken schon beim Hardware-Design ber¨¹cksichtigt werden. Wenn sich Hardware-Schwachstellen bereits bei der Herstellung der Mikroprozessoren vermeiden lassen, k?nnte dies die Kosten f¨¹r die Industrie erheblich reduzieren und die Sicherheit der Endnutzer:innen zugleich erh?hen. Dazu wird Kaveh Razavi neue, datengetriebene und letztlich automatisierte Sicherheitsanalysetechniken f¨¹r Hardware-Designs entwickeln.

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert